Titelseite eines Magazins. Die Lebensgeschichte von Eva Biringer mit dem Titel "Unabhängig".
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Eva Biringer: Unabhängig – Vom Trinken und Loslassen

27. Oktober 2022

Seit den 1970er-Jahren ist der Konsum von Alkohol in Österreich rückläufig.  Auch der Alkoholkonsum unter Jugendlichen ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Bei einer Gruppe steigt der Alkoholkonsum jedoch an: den jungen und erfolgreichen Frauen ab 30 Jahren. Die Journalistin Eva Biringer hat das Buch „Unabhängig – Vom Trinken und Loslassen“ geschrieben und die Gründe thematisiert. Wir haben sie dazu interviewt.

Worum geht es in dem Buch „Unabhängig – Vom Trinken und Loslassen“?

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Eine Hälfte thematisiert meine eigenen Erfahrungen mit Alkohol – vom ersten Schluck bis zu dem Moment, in dem ich beschloss, keinen mehr zu trinken. Die andere Hälfte beschäftigt sich mit Fakten rund um Alkohol und warum der Konsum bei Frauen so hoch ist. Meine These ist, dass es einen Zusammenhang von weiblicher Emanzipation und weiblichem Trinkverhalten gibt.

Warum denken Sie, dass gebildete, gut situierte Frauen ab 30 Jahren immer regelmäßiger Alkohol trinken und bei dieser Gruppe der Alkoholkonsum ansteigt?

Emanzipierte Frauen sind besonders großem Druck ausgesetzt. Sie möchten in allen Lebensbereichen perfekt sein – im Beruf, in der Partnerschaft und als Mutter. Ich nehme gerne die Serie „Sex and the City“ als Beispiel. Dort gönnen sich die coolen, selbstbewussten und eigenständigen Frauen nach einem anstrengenden Arbeitstag die 15 Dollar-Martinis. Alkohol zu trinken hat in dem Fall auch etwas Glamouröses. Man trinkt zwar nicht schon morgens Vodka, aber zum Brunch oder einen After Work Cocktail. Dieses kultivierte Trinken ist nicht nur akzeptabel, sondern schon fast erwünscht. Es ist überhaupt nicht anstößig, Alkohol zu trinken. Im Gegenteil, man muss sich rechtfertigen, wenn man keinen trinkt.

Zählten Sie auch zu diesen Frauen?

Ja, ich war auch eine dieser Frauen. Ich habe auf meine Ernährung und Gesundheit geachtet und am Abend durchaus mal eine ganze Flasche Wein getrunken. Mehr als 15 Jahre lang. Trotz allem war ich „high functional“: die Tage, an denen ich verkatert und nicht arbeitsfähig war, kann ich an einer Hand abzählen. Frauen, wie ich eine war, und die ich auch in meinem Buch beschreibe, gelingt dieses Leben erstmal. Wir sind sehr perfektionistisch.

Hatten Sie selbst mal ein Alkoholproblem?

Ich hatte leider schon sehr früh ein Alkoholproblem. Schon beim ersten Mal Trinken – Rum aus der Flasche bei einem Spiel namens Wahrheit oder Pflicht – konnte ich die Flasche nicht absetzen. Ich habe auch immer wieder mal die Kontrolle verloren. Es blieb oft nicht bei einem Achterl Wein, sondern ich habe auch immer wieder exzessiv Alkohol getrunken. Jetzt trinke ich keinen Alkohol mehr.

Zu welchen Anlässen haben Sie Alkohol getrunken?

Es gab unterschiedliche Anlässe und fast jeden Tag. Ich musste mir alkoholfreie Tage regelrecht vornehmen, weil es immer Gründe gab, Alkohol zu trinken. Ich bin Journalistin und schreibe oft über Essen und Trinken. Bei Pressedinner, Geschäfts- oder Privatessen habe ich immer Alkohol getrunken. Manchmal auch alleine zu Hause. Nicht morgens, aber beim Kochen oder nach der Arbeit. Man kann sich ehrlich gesagt sehr leicht einen Anlass schaffen, um Alkohol zu trinken.

Wie haben Sie den Weg aus der Sucht geschafft?

Ich habe verschiedenste Therapien gemacht. Letztlich haben einige negative Ereignisse bewirkt, dass ich nach mehrmaligen alkoholfreien Monaten wirklich keinen Alkohol mehr getrunken habe. Ich habe mich gefragt, welches Leben ich ohne Alkohol führen könnte. Schlussendlich haben die Nachteile des Alkoholtrinkens überwogen und ich habe komplett aufgehört Alkohol zu trinken.

Warum denken Sie, dass Sie angefangen haben, regelmäßig Alkohol zu trinken?

Das waren wohl verschiedene Faktoren. Vermutlich habe ich eine Veranlagung. Außerdem wird in meinem Arbeitsumfeld „Food-Journalismus“ sehr viel Alkohol getrunken und das Trinken wird wenig problematisiert. Ich habe selten getrunken, um Ängste zu lösen oder Gefühle zu betäuben, sondern um etwas zu erleben. Ich hatte schon immer Lust auf extreme Empfindungen und diese hat mir der Alkohol sehr zuverlässig gegeben.

Wie reagieren Sie, wenn Ihnen Alkohol angeboten wird?

Ich sage, dass ich nicht trinke. Ich habe eine gute Ausrede, da ich jetzt das Buch geschrieben habe. Bevor ich das Buch geschrieben habe, bin ich jedoch auch recht selbstbewusst mit der Frage umgegangen. Gerade in meinem Beruf kommen natürlich Nachfragen, weil es ungewöhnlich ist, dass eine Food-Journalistin nicht trinkt.

Wie gelingt es, das eigene Suchtverhalten auszubremsen und das Gewohnheitstrinken einzustellen?

Der erste Schritt ist, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren. Wenn man an einem Abend nur zwei Gläser Wein trinken wollte und am Ende so betrunken war, dass man einen Blackout hatte, ist das ein Kontrollverlust. Die Richtlinie der WHO besagt, dass eine Frau nicht mehr als ein Achterl Wein trinken sollte mit zwei Tagen Pause pro Woche. Wenn man mehr als diesen Richtwert trinkt und es schwerfällt, sich an diese Richtlinie zu halten, sollte man seinen Konsum zumindest mal überdenken.

Wie beurteilen Sie den Umgang mit Alkohol in Deutschland und Österreich?

In Österreich wird noch mehr Alkohol getrunken als in Deutschland. Alkohol ist ein Wirtschaftsfaktor. Dabei ist das Problembewusstsein in der Gesellschaft sehr wichtig. Alkohol sollte im Straßenverkehr verboten werden – es sollte eine 0,0 Promillegrenze gelten. Außerdem sollten bestimmte Gruppen besser vor Alkohol geschützt werden. Das Mindestabgabealter für Alkohol sollte auf 18 Jahre erhöht werden und es sollte viel mehr vermittelt werden, dass Alkohol in der Schwangerschaft schädlich ist. Man sollte ohne Nachfragen oder kritische Kommentare sagen können, dass man keinen Alkohol trinkt. Ich möchte damit nicht sagen, dass alle Menschen aufhören müssen Alkohol zu trinken, aber die Gesellschaft sollte genauer hinsehen und ein Problembewusstsein dafür haben.

Wie beurteilen Sie die Initiative „Weniger Alkohol – Mehr vom Leben“ des Gesundheitsfonds Steiermark?

Ich finde die Initiative sehr gut. In der Steiermark ist vor allem der Wein ein wichtiges Thema. Es gibt viele Leute, die gerne Wein trinken oder in der Branche als Winzer oder Gastronom tätig sind. Hier ist es wichtig, dass man den Leuten nicht den Alkohol wegnimmt, sondern aufklärt und den bewussten Umgang mit Alkohol betont.

Quellen

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Handbuch Alkohol – Österreich, Band 1: Statistiken und Berechnungsgrundlagen, 2021: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/Alkohol.html

Factsheet zur Österreichischen Dialogwoche Alkohol „Wie viel ist zu viel?“, 2019: https://www.dialogwoche-alkohol.at/

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